Rückkehrpflicht ins Büro: Warum Motivation nicht im Kalender steht – sondern im Kopf entsteht

Zurück ins Büro? Warum das kein organisatorisches Thema ist – sondern ein kulturelles. Wie Motivation entsteht, was die VIE-Theorie damit zu tun hat – und warum Vertrauen wichtiger ist als Kontrolle.

Inhaltsverzeichnis

Warum Motivation nicht im Kalender steht – sondern im Kopf entsteht.

Zurück ins Büro? Warum das kein organisatorisches Thema ist – sondern ein kulturelles.

Wie Motivation entsteht, was die VIE-Theorie damit zu tun hat – und warum Vertrauen wichtiger ist als Kontrolle.

 

In meiner Diplomarbeit 2008 zum Thema „Motivations- und Leistungssteigerung durch stille Beteiligung in einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen“ habe ich mich intensiv mit dem Thema Motivation beschäftigt.

 

Damals analysierte ich unter anderem die VIE-Theorie von Victor Vroom (Rosenstiel von, L.; Molt. W.; Rüttinger, B. (2005)) und zog die Gallup Engagement Studie hinzu, um besser zu verstehen, wie Unternehmen die Motivation und Bindung ihrer Mitarbeitenden nachhaltig fördern können.

 

Fast zwei Jahrzehnte später hat das Thema nichts an Aktualität verloren – im Gegenteil.

Spannenderweise sprechen wir aktuell weniger über monetäre Anreize – stattdessen viel über „Benefits“ wie zum Beispiel Homeoffice oder mobiles Arbeiten. Doch auch diese Benefits sind Teil eines Vergütungssystems, das Motivation und Leistung fördern soll – oder etwa nicht?

 

Die Diskussion rund um „Zurück ins Büro“ zeigt deutlich: Es geht um mehr als nur ums Organisatorische. Es geht um Identifikation, Vertrauen, Kultur – und Motivation.

Was Menschen wirklich motiviert.

Um die Debatte rund um „Zurück ins Büro“ wirklich zu verstehen, lohnt ein Blick in die Psychologie – genauer gesagt: in die Prozesstheorien der Arbeitsmotivation. Diese beschäftigen sich mit der Frage, welche inneren Prozesse Menschen dazu bewegen, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen – und was in ihnen passiert, wenn sie dieses Ziel erreichen.

 

Ein besonders hilfreiches Modell bietet die VIE-Theorie von Victor Vroom. Sie basiert auf einem einfachen Prinzip:

 

Menschen streben das an, was für sie den größten persönlichen Wert verspricht – bezogen auf das Ergebnis, den Weg dorthin und die eigene Erfolgseinschätzung.

 

Motivation ergibt sich demnach aus dem Zusammenspiel dreier Faktoren:

  • Valenz: Wie attraktiv ist das Ziel für mich?

  • Instrumentalität: Wie stark glaube ich, dass mein Handeln tatsächlich zu diesem Ziel führt?

  • Erwartung: Glaube ich, dass ich in der Lage bin, dieses Ziel überhaupt zu erreichen?

Nur wenn alle drei Komponenten erfüllt sind, entsteht echte Motivation. Fehlt eine davon, sinkt sie deutlich.

 

Und das bringt uns zurück ins Büro – buchstäblich. Denn was auf den ersten Blick wie eine rein organisatorische Entscheidung erscheint, trifft in Wirklichkeit einen hochindividuellen, psychologischen Kern:

 

Wenn Mitarbeitende fragen: „Warum soll ich jetzt wieder ins Büro kommen?“ – dann ist das oft kein Zeichen von Bequemlichkeit, sondern Ausdruck eines Motivationsbruchs:

  • Das Büro hat an persönlicher Relevanz verloren (Valenz).

  • Der Nutzen der Präsenz ist unklar (Instrumentalität).

  • Und die Rahmenbedingungen wirken demotivierend (Erwartung).

Wenn das Büro kein Ort mehr ist, an dem ich produktiv sein kann, mich gesehen fühle oder einen Unterschied mache – warum sollte ich mich dann darauf einlassen?

Blog - Büropflicht

Stellen wir die falsche Frage?

Die Debatte um „Zurück ins Büro“ kreist oft um die Frage: Bist Du jetzt Team Büro oder Team Homeoffice? Doch diese Frage ist zu kurz gedacht. Es ist der falsche Ansatz, wenn wir den Arbeitsort zur Währung machen. Denn es geht nicht um den Ort – sondern um das Warum dahinter.

 

Was bewegt Menschen wirklich? Was macht Arbeitsmodelle sinnvoll – oder eben nicht?

 

Was früher als Benefit galt – zum Beispiel Homeoffice – ist für viele zur neuen Normalität geworden. Wird das plötzlich entzogen, erleben viele das als Verlust. Nicht, weil sie faul sind, sondern weil sich ihre Realität verändert hat.

Psychologisch gesehen ist das nachvollziehbar. Die hedonistische Adaptation (Brickman & Campbell, 1971) zeigt: Wir gewöhnen uns schnell an Verbesserungen – aber wir reagieren stark auf deren Verlust.

 

Noch wirksamer wird das, wenn wir die VIE-Theorie von Victor Vroom mit einbeziehen: Motivation entsteht dann, wenn ein Ziel wertvoll ist (Valenz), erreichbar scheint (Erwartung) und wir glauben, dass unser Handeln einen Unterschied macht (Instrumentalität). Doch diese drei Faktoren sind hochindividuell. Was für die eine Person wie eine Belohnung wirkt, fühlt sich für die andere wie Bestrafung an. 

 

Wir stellen also die falsche Frage. Denn es geht nicht um den Ort, sondern um die Kultur, in der wir arbeiten.

 

Die bessere Frage wäre: „Wie schaffen wir eine Kultur, in der Menschen unabhängig vom Ort motiviert, gesund und wirksam arbeiten können?“

 

Denn Kultur entsteht nicht am Schreibtisch – sondern durch Haltung, Vertrauen und Kommunikation.

Kontrolle ist kein Ersatz für Vertrauen.

Hinter starren Vorgaben steckt oft der Wunsch nach Kontrolle. Doch Kontrolle ersetzt kein Vertrauen.

 

Wenn sich Führung ohnmächtig fühlt, entsteht schnell der Impuls, über Struktur Macht zurückzugewinnen. Rückkehrpflichten sind dann der Versuch, verlorene Autorität wiederherzustellen.

 

Doch das ist ein Trugschluss.

 

Denn Vertrauen lässt sich nicht anordnen – es entsteht durch Beziehung, durch gemeinsame Ziele, durch Kommunikation auf Augenhöhe. Wer Kontrolle über Vertrauen stellt, verliert mittelfristig beides. Denn Menschen spüren den Unterschied. Und sie reagieren: mit Rückzug, Widerstand oder innerer Kündigung.

 

Wenn Mitarbeitende hingegen das Gefühl haben, dass ihnen vertraut wird – dass ihre Eigenverantwortung nicht nur zugelassen, sondern gewünscht ist – entsteht Bindung. Und genau diese Bindung ist es, die Teams trägt, auch in herausfordernden Zeiten.

 

Kontrolle erzeugt Widerstand – Vertrauen erzeugt Bindung.

Saskia Stahmer

Vertrauen ist das Fundament!

Was wir aus der VIE-Theorie, der Gallup-Studie und der aktuellen Debatte lernen können:

  • Wer Menschen motivieren will, muss ihre Perspektive verstehen.

  • Wer Leistung will, muss Sinn bieten.

  • Wer Innovation will, muss Vertrauen geben.

Vertrauen beeinflusst Zusammenarbeit, Motivation und Gesundheit. Es ist kein Nice-to-have – es ist das Fundament.

Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, sich ständig rechtfertigen zu müssen, fließt ihre Energie in Selbstschutz – nicht in produktive Arbeit.

 

Vertrauen wirkt direkt auf die VIE-Faktoren:

  • Es erhöht die Valenz, weil Menschen sich wertgeschätzt fühlen.

  • Es stärkt die Instrumentalität, weil ihr Einsatz zählt – auch ohne Kontrolle.

  • Es steigert die Erwartung, weil sie sich selbst als wirksam erleben dürfen.

Fehlt Vertrauen, entstehen Maßnahmen, die mehr schaden als nützen. Dann wird aus einem Arbeitsmodell eine Machtdemonstration und die zeigt sich auch in den aktuellen Gesundheitszahlen.

Was hat das mit Gesundheit zu tun?

Eine verordnete Rückkehr ins Büro mag organisatorisch einfach sein – kulturell ist sie es nicht.

 

Fühlen sich Menschen übergangen, entsteht innerer Widerstand – der zeigt sich nicht nur in (inneren) Kündigungen, sondern auch in Stresssymptomen.

 

Stress entsteht nicht nur durch Arbeitslast, sondern auch durch fehlende Kontrolle, Wertschätzung und ungelöste Konflikte.

 

Dauerhafte Diskrepanzen zwischen inneren Werten und äußeren Anforderungen führen zu ständiger Anspannung. Wer sich gezwungen statt beteiligt fühlt, verliert auf Dauer Energie und Gesundheit. Die Diskussion um den Arbeitsort ist deshalb auch eine Diskussion über Gesundheit.

Fazit: Es ist wieder eine Haltungsfrage.

Die Frage ist nicht: „Wie bringen wir die Leute zurück?“ Die Frage ist: „Wie gestalten wir eine Kultur, in der Menschen gerne und wirksam arbeiten – egal von wo?“

 

Denn die Debatte um Arbeitsmodelle ist kein Machtspiel. Sie ist ein Lackmustest für gesunde Führung und zukunftsfähige Kultur.

 

Und damit sind wir zurück bei der Überschrift: Motivation entsteht nicht durch Kalendereinträge, Dienstpläne oder Anwesenheitsvorgaben. Sie entsteht im Kopf – durch Sinn, Vertrauen und das Gefühl, wirksam zu sein.

 

Denn am Ende motiviert weder das Büro noch das Homeoffice – sondern die Art und Weise, wie wir Arbeit gestalten.

Quellen:

  • Gallup Engagement Index Deutschland 2024

  • Vroom, Victor H.: Work and Motivation (1964)

  • Brickman, P., & Campbell, D. (1971). Hedonic relativism and planning the good society

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Ich verbinde Business-Know-how, strategisches Denken und Persönlichkeitsentwicklung, um Menschen zu begleiten, die sich beruflich (neu) orientieren oder persönliche Herausforderungen meistern möchten.

 

Meine Mission: Dir mit Klarheit, Empathie und Struktur zur Seite zu stehen – damit du deinen individuellen Weg findest und dabei gesund und leistungsfähig bleibst.

 

Du suchst Unterstützung, dann schau gerne auf meiner Website vorbei.

 

Als Coachin, Denkpartnerin & Impulsgeber begleite ich Dich nach Absprache online oder offline (Wiesbaden, Köln, Düsseldorf oder in den Räumlichkeiten von Dr. Anna Fischer in Hamburg).

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