Stress verstehen – Was ist Stress?
Stress ist mehr als zu viel Arbeit.
Viele Menschen setzen Stress mit zu viel Arbeit gleich. Doch Stress ist so viel mehr. Das Wort Stress ist im Grunde ein Sammelbegriff für alles, was uns Kraft kostet – und das kann viele Gesichter haben.
Stress entsteht nicht nur durch hohe Arbeitslast, sondern auch durch Anspannung, Konflikte, Krankheiten oder Erwartungen – im Job, im privaten Umfeld oder durch gesellschaftlichen Druck. Selbst freudige Ereignisse wie eine Beförderung oder eine Hochzeit können Stress auslösen.
Stress kann sowohl positiv als auch negativ wirken.
Eustress – ist der „gute Stress“, der uns antreibt, fokussiert hält und Höchstleistungen ermöglicht.
Distress – hingegen ist der belastende Stress, der uns erschöpft und langfristig krank machen kann.
Viele glauben, dass positiver Stress harmlos ist, weil er Freude macht. Doch selbst wenn wir lieben, was wir tun, kann es problematisch werden, wenn wir keine echten Erholungsphasen haben. Wer dauerhaft auf Hochtouren läuft, riskiert irgendwann den Punkt, an dem der Körper nicht mehr mitzieht.
Und dann gibt es diejenigen, die sagen ich liebe Stress, nur unter Druck bin ich richtig kreativ und schaffe was weg. Ich befürchte jedoch, diese Aussage bezieht sich eher auf den Zustand des Prokrastinierens, sprich dem Aufschieben von Dingen, anstatt auf echte Kreativität.
Reflexion: Wann hast du zuletzt bewusst bemerkt, dass Stress Dich antreibt – oder auslaugt?
Die Stress-Kurve: Wann ist Stress förderlich, wann wird er schädlich?
Stress ist grundsätzlich etwas Gutes. Tatsächlich kann er uns motivieren, unsere Leistung steigern und sogar unser Wachstum fördern. Doch es gibt einen Punkt, an dem Stress kippt – und genau hier kommt das Yerkes-Dodson-Gesetz, im folgendem als Stress-Kurve dargestellt, ins Spiel.
Diese besagt, dass sowohl bei sehr niedrigen als auch bei sehr hohem Erregungsniveau (Druck) die Leistung schlechter ist als bei mittlerem ausgewogenem Erregungsniveau.
Stagnation: Hier bewegen wir uns meist im Autopilot. Die Motivation ist niedrig und es findet kaum persönliche Entwicklung statt.
Anstieg: In diesem gesunden Bereich entwickeln wir uns weiter und steigern unsere Leistungsfähigkeit und sind motiviert. Wir befinden uns in einem positiven Zustand der Spannung und schöpfen Energie aus unserem Handeln.
Anstrengung: Ein gewisses Maß an Stress steigert nochmal unsere Leistungsfähigkeit – wir sind bei fokussiert, aktiv und energiegeladen, und können sogar Spitzenleistungen erbringen. Diese Phase der Extrameile fordert jedoch hohe Anstrengung, hier verlassen wir oft unsere Komfortzone. Um langfristig jedoch leistungsfähig zu bleiben, sind anschließend Phasen der Entspannung und Erholung notwendig.
Belastung: Ab einem bestimmten Punkt wird die Anstrengungen zur Belastung. Statt uns zu aktivieren, blockiert uns der Stress nun, wir fühlen uns überfordert und erschöpft. Unser Körper sendet erste körperliche und psychische Warnsignale. Wenn wir diese jedoch wahrnehmen und nicht unterdrücken, hilft eine Pause zur Regeneration.
Stress: Bleiben wir zu lange in diesem Bereich, verlieren wir Kreativität, Konzentration und schließlich auch Energie. Unsere Leistungsfähigkeit sinkt dramatisch und es treten chronische Symptome auf. Bildlich gesprochen, ist dann nicht nur unser Akku leer, sondern das Ladekabel ist defekt.
Die Stress-Kurve zeigt, warum eine gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung so entscheidend ist. Dauerhafte Überlastung führt nicht zu mehr Produktivität, sondern langfristig zu Erschöpfung. Doch auch zu wenig Stress – also völlige Unterforderung – kann sich negativ auswirken, denn unser Körper spielt in beiden Fällen das gleiche Programm ab.
Reflexion: Wo in der Stress-Kurve befindest Du Dich aktuell? Treibt Dich Dein Stress an – oder blockiert er Dich?
Warum empfinden manche Menschen mehr Stress als andere?
Stress ist nicht nur eine Frage der äußeren Belastung – sondern auch der inneren Bewertung.
Zwei Menschen können in derselben Situation völlig unterschiedlich reagieren: Während die eine Person ruhig bleibt, fühlt sich die andere überfordert.
Warum ist das so?
Unser Stress-Erleben ist individuell – und wird beeinflusst durch:
- Frühere Erfahrungen: Wer z. B. in der Kindheit gelernt hat, hohen Druck auszuhalten, reagiert oft anders auf Belastung als jemand, der wenig emotionale Sicherheit erlebt hat.
- Persönlichkeitsmerkmale: Perfektionismus, hoher Leistungsanspruch oder starkes Harmoniebedürfnis erhöhen das Stressrisiko.
- Innere Glaubenssätze: Gedanken wie „Ich darf keine Schwäche zeigen“ oder „Ich muss alles alleine schaffen“ wirken wie ein innerer Verstärker – selbst bei kleinen Auslösern.
- Kognitive Bewertung: Ob wir eine Situation als bedrohlich oder machbar erleben, entscheidet mit darüber, ob Stress entsteht.
Das bedeutet: Es geht nicht nur darum, Stressoren zu vermeiden – sondern auch darum, wie wir sie wahrnehmen und einordnen. Genau hier beginnt wirksame Stressregulation.
Reflexion: Welche inneren Antreiber kennst Du von Dir – und wie beeinflussen sie Dein Stressempfinden?
Das „Allgemeine Adaptions-Modell” – Warum langfristiger Stress unseren Körper erschöpft.
Unser Körper ist darauf ausgelegt, mit kurzfristigem Stress umzugehen. Aber was passiert, wenn Stress nicht mehr verschwindet? Genau das beschrieb der Mediziner Hans Selye mit dem „Allgemeinen Adaptions-Modell”. Sein Modell zeigt, wie unser Körper auf anhaltende Belastungen reagiert – und warum langfristiger Stress so gefährlich ist.
Phase 1: Alarmphase
Der Körper registriert eine Bedrohung – egal ob ein echtes Problem oder eine innere Anspannung. Sofort werden Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, unser Herzschlag steigt, Muskeln spannen sich an – wir sind im Kampf-oder-Flucht-Modus.
Phase 2: Widerstandsphase
Wenn der Stress anhält, versucht der Körper, sich anzupassen. Unser Energielevel bleibt erhöht, aber die Stresshormone regulieren sich etwas. In dieser Phase funktionieren viele Menschen noch gut – doch die Ressourcen sind begrenzt. Ohne Pausen kommt irgendwann…
Phase 3: Erschöpfungsphase
Hier geht nichts mehr. Der Körper kann die Dauerbelastung nicht mehr kompensieren, das Immunsystem ist geschwächt, die mentale und körperliche Leistungsfähigkeit sinkt. Die Ressourcen sind verbraucht, es kommt zu Schwäche, Müdigkeit, erhöhter Krankenstand und führt möglicherweise zu langfristigen gesundheitlichen Einschränkungen.
Warum ist das wichtig?
Chronischer Stress führt uns irgendwann unweigerlich in die Erschöpfungsphase – wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern. Doch viele bemerken die Signale erst, wenn sie sich schon mittendrin befinden.
Reflexion: Fühlst Du Dich oft in der Widerstandsphase gefangen? Und was hilft Dir, wieder in einen gesunden Zustand zu kommen?
Stress verstehen – Was passiert eigentlich im Körper?
Ein Wunderwerk der Natur - unser Stresssystem.
Unser Stresssystem ist ein Wunderwerk der Natur – ausgeklügelt, schnell, lebensrettend. Nur leider stammt es aus einer Zeit, in der noch echte Gefahren vor uns standen.
Stell Dir vor, Du lebst vor 50.000 Jahren. Du verlässt Deine Höhle – und plötzlich steht ein Tiger vor Dir. In Millisekunden entscheidet Dein Körper: Kampf oder Flucht. Dein Herz rast, die Muskeln spannen sich an, der Atem beschleunigt sich. Verdauung? Jetzt egal. Immunsystem? Später. Alles in Dir bereitet sich auf eine unmittelbare Bedrohung vor.
Diese Fähigkeit hat unser Überleben gesichert. Und genau dasselbe System läuft heute noch ab – nur dass die „Tiger“ sich verändert haben. Heute heißt der Tiger vielleicht: Termindruck. Konfliktgespräch. Kindergeburtstag mit 18 Gästen.
Das Problem? Unser Körper unterscheidet nicht zwischen echter Lebensgefahr und emotionalem Stress. Die Reaktion ist biochemisch dieselbe – immer wieder. Und ohne „Flucht“ oder „Kampf“ bleibt die Stressenergie im System.
Deshalb ist es so entscheidend, Stress nicht nur mental zu verstehen – sondern körperlich zu regulieren. Denn unser inneres Alarmsystem braucht Unterstützung, um wieder runterzufahren.
Stress fühlt sich nicht nur mental anstrengend an – er hat eine direkte körperliche Wirkung. Unser autonomes Nervensystem reagiert blitzschnell auf Stressreize, weil es ursprünglich für Überlebensreaktionen gedacht war.
Wenn wir Stress erleben, läuft im Körper ein automatisches Programm ab:
Das Gehirn schlägt Alarm: Unser limbisches System erkennt eine „Bedrohung“ und aktiviert den Kampf-oder-Flucht-Modus.
Stresshormone werden ausgeschüttet: Adrenalin und Cortisol setzen Energie frei, das Herz schlägt schneller, die Atmung beschleunigt sich, Muskeln spannen sich an.
Nicht überlebenswichtige Funktionen werden heruntergefahren: Verdauung, Immunabwehr und tiefes Nachdenken rücken in den Hintergrund.
Dabei gibt es zwei Hauptakteure im Nervensystem:
Der Sympathikus aktiviert uns. Er sorgt dafür, dass wir unter Stress leistungsfähig sind, schneller reagieren und Energie freisetzen.
Der Parasympathikus beruhigt uns. Er bringt uns zurück in den Entspannungsmodus, senkt den Puls und aktiviert Regenerationsprozesse.
Doch ab wann sprechen wir eigentlich von chronischem Stress?
Normalerweise wechseln sich diese beiden Systeme ab. Doch wenn wir immer wieder über unsere Belastungsgrenze gehen, keine ausreichenden Erholungsphasen haben und/oder unter dauerhaftem Druck stehen, bleibt unser Körper zu lange im „Sympathikus-Modus“ – Stress wird chronisch.
Typische Warnsignale für chronischen Stress sind:
- Schlafprobleme oder ständige Müdigkeit
- Reizbarkeit, innere Unruhe oder das Gefühl, nicht mehr abschalten zu können
- Konzentrationsprobleme und zunehmende Vergesslichkeit
- Verspannungen, Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden
- Erhöhte Infektanfälligkeit oder häufige Erkältungen
Hier zeigt sich, warum Stressbewältigung nicht nur Kopfsache ist – unser Nervensystem braucht aktive Unterstützung, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Reflexion: Hast Du schon einmal bemerkt, dass Stress sich langfristig auf Deinen Körper ausgewirkt hat?
Der Vagusnerv – Die Geheimwaffe gegen Stress.
Der Vagusnerv ist ein Teil des Parasympathikus und einer der wichtigsten Nerven unseres Körpers – und u.a. unser Schlüssel zur Entspannung. Er verbindet das Gehirn mit den wichtigsten Organen und sorgt dafür, dass wir nach Stressphasen wieder zur Ruhe kommen.
Wenn der Vagusnerv aktiv ist:
- Verlangsamt sich der Herzschlag
- Vertieft sich die Atmung
- Entspannt sich der Körper
- Fällt es uns leichter, ruhig zu denken und zu kommunizieren
Doch bei vielen Menschen ist die Vagus-Aktivität durch anhaltenden Stress gestört – der Körper bleibt in Alarmbereitschaft. Und das lässt sich mit der VNS-Analyse auch messen.
Wie können wir den Vagusnerv ganz ohne Gadgets aktivieren?
- Tiefes, bewusstes Atmen – Längeres Ausatmen aktiviert den Entspannungsmodus.
- Kalte Duschen oder kaltes Wasser im Gesicht – Setzt sofort Entspannungsreaktionen frei.
- Summen oder Singen – Stimuliert den Vagus über die Stimme und beruhigt das Nervensystem.
- Soziale Interaktion – Sich sicher und verbunden fühlen, reguliert unser System.
Reflexion: Welche Methode nutzt Du, um nach einem stressigen Tag wirklich runterzukommen?
Du möchtest mehr zum Vagusnerv erfahren, schau Dir folgenden Film von arte.tv an: Vagusnerv: Wie das Hirn zum Herzen spricht
Lass uns sprechen!
Du suchst Unterstützung zur Stressregulation oder Du bist an einer Perönlichkeitsanalyse – inklusive Deiner Stärken interessiert, dann schau gerne auf meiner Website vorbei. Als Coachin, Denkpartnerin & Impulsgeber begleite ich Dich nach Absprache online oder offline (Wiesbaden, Köln, Düsseldorf oder in den Räumlichkeiten von Dr. Anna Fischer in Hamburg).